Meetings sind so ein Dauerlutscher-Thema in der Unternehmensorganisation. Jeder, der mit anderen zusammen arbeiten muss, nutzt Meetings. Und jeder, der regelmäßig in Meetings sitzt, kann ganze Tage füllen mit Erzählungen über Meetings, die langweilig waren und ihr Ziel nicht erreicht haben - also wirkungslos waren. Und damit eine Verschwendung.
Meetingräume scheinen in vielen Unternehmen die Folterkeller der Moderne zu sein - egal ob virtuell oder körperlich. Hier wird Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Leben ausgehaucht. Alles was lebendig ist, scheint hier zu enden: freie Äußerungen, lebendiger Austausch, Begeisterung. Alles endet in einer stummen grauen Masse.
Dabei wäre so ein Meeting ein so wirksames und kraftvolles Werkzeug! Warum lassen wir es zu, dass es zu einem solchen Motivationskiller verkommt? Kennen wir niemanden, der weiß, wie es geht?
An Ratschläge mangelt es ja offensichtlich nicht - ich reihe mich gerade in die lange Schlange ein…
Es gibt ganze Bibliotheken von Meeting-Ratgebern „in 5 Schritten zum erfolgreichen Meeting“. In jedem Besprechungsraum hängt ein Poster mit den „10 wichtigsten Meeting-Regeln“. Dennoch bleibt das Problem. Was entweder daran liegen könnte, dass die Ratschläge nicht wirksam sind, oder einfach ignoriert werden.
Was also tun?
- Wir könnten damit aufhören, Meetings durchzuführen. Das passiert aber nicht, denn offensichtlich brauchen wir sie doch.
- Wir könnten es machen wie Otmar Kastner. Der hat über ein Jahr im Justizministerium in Wien gearbeitet und über seine Meeting-Erlebnisse dann ein erfolgreiches Wirtschaftskabarett gemacht. OK, diese Lösung ist auch nicht für jeden geeignet.
- Bleibt also nur noch, Meetings einfach richtig durchzuführen. Warum aber fällt uns das so schwer?
Meeting als Werkzeug
Ein Meeting ist ein Werkzeug wie viele andere in der Unternehmensorganisation. Und wie das mit allen Werkzeugen so ist: den Umgang muss man üben. Nur durch Übung und permanente Verbesserung gelangt man zur Meisterschaft. Und genau hier liegt unser Problem: die wenigsten von uns lernen „Meeting“. Weder in der Berufsausbildung, noch im Studium. Und im Job wird auf einmal erwartet, dass wir dieses Werkzeug perfekt beherrschen.
Und wir sollten dieses Werkzeug „Meeting“ sehr gut beherrschen. Nutzlose Meetings kosten nicht nur Zeit, Kraft und Aufmerksamkeit, sondern auch Motivation und letzten Endes auch Reputation des Einladenden.
Meine Meeting-Anfänge waren sehr verkrampft - weil ich verkrampft war. Sie waren regelfixiert - weil ich noch keine Souveränität hatte und mich statt dessen an Regeln festgehalten habe. Und etwas steif, weil ich den Umgang mit so vielen Menschen noch nicht immer drauf hatte. Aber da ich immer in vielen unterschiedlichen Unternehmen in vielen unterschiedlichen Funktionen gearbeitet habe, habe ich „Meeting“ immer üben können. Da haben viele als Versuchskaninchen herhalten müssen, ohne das zu wissen. Aber so konnte ich viel üben und das Beste behalten.
Und die gute Nachricht ist: Sie können und sollten das genau so machen. Sie könnten damit anfangen, die meisten Meeting-Regeln zu vergessen. Wie wir eben schon gemerkt haben: sie funktionieren eh nicht. Weil sie oft an den Symptomen arbeiten, nicht an den Ursachen, so wie die berühmten „10-Meeting-Regeln“ auf den Postern im Meeting-Raum. Auch ganz prominente Regeln wie die „2-Pizza-Regel“ von Jeff Bezos funktionieren nur in einem sehr engen Kontext. Wenn überhaupt. Mein Rat ist: Hören Sie auf, fremden Regeln zu folgen. Sie sollten ihre ganz individuellen Regeln schreiben - denn nur mit individuellem Handeln sind sie als Individuum wirksam. Und so soll es doch sein, oder?
Statt Regeln sollten sie Prinzipien folgen. Prinzipien lassen ihnen mehr Spielraum als Regeln. Spielraum für unterschiedlichen Kontexte, unterschiedliche Meetingarten und -größen, unterschiedliche Zielgruppen, Spielraum für die Entfaltung ihrer Persönlichkeit.
Meine Prinzipien für wirksame Meetings:
Es gibt nach meiner Erfahrung drei sehr einfache Prinzipien, die zu wirksamen Meetings führen:
- Ziel
- Führung
- Verpflichtung
Diese 3 Prinzipien werde ich in dieser kleinen Reihe durchsprechen.
Eine Buch-Empfehlung:
Und bevor wir mit dem ersten beginnen, möchte ich Ihnen ein Buch empfehlen. Nein, nicht die „5 Regeln für erfolgreiche Meetings“, sondern „Meet Up!“. Ich habe in den letzten 30 Jahre unendlich viele Meeting-Ratgeber gelesen. Aber dieses sticht doch heraus. Sehr klare Empfehlungen, auch nach Erkenntnissen der Wissenschaft, der Inhalt ist fachlich untermauert durch Studien. Und dennoch lässt es sich gut lesen, verliert sich nicht in vielen überflüssigen Worten und ist zudem grafisch sehr schön aufbereitet. Zusätzlich zum Buch gibt es Online ergänzendes Material. Kurz: uneingeschränkte Empfehlung!
Die Autoren kommen zudem zu ähnlichen Prinzipien wie ich - daher ist es mir natürlich noch mal sympathischer.
Aber jetzt endlich zum ersten Prinzip.
Wie jede andere Aktivität auch, sollte ein Meeting immer mit der Frage beginnen: Warum? Und hier kommen wir zum ersten Meeting-Prinzip:
Prinzip #1: Ziele
Was ist das genaue Ziel, das ich mit diesem Meeting erreichen möchte? Was genau soll mein Ergebnis am Ende des Meetings sein? Wann ist mein Meeting ein erfolgreiches Meeting?
Warum ist das so wichtig? Weil ohne konkrete Zielbeschreibung dem Meeting immer der Fokus fehlen wird. Ein fehlender Fokus sorgt immer dafür, dass Aufwand in viele Richtungen diffundieren kann und nicht in eine Richtung zielt. Die Folge ist Verschwendung.
Sie glauben gar nicht, wie viele Einladungen zu Meetings ich schon abgelehnt habe. Das ist ein Privileg des Externen, der in ein fremdes Unternehmen kommt und erst einmal so richtig dumm tun darf. Herrlich!
Neulich bei einem Kunden. Einladung mit dem Betreff „Transportsteuerung“. Keine weitere Zielsetzung beschrieben. Abgelehnt von mir. Anruf vom Einladenden: Aber ich hab doch geschrieben, dass wir uns um die Schnittstelle zum Lagerverwaltungssystem kümmern müssen. Nein, hast du nicht. So ging das etwas hin und her, bis endlich eine schicke Einladung kam mit den Worten: „Ziel des Meetings ist es, die möglichen Ausprägungen der Mengeneinheiten in der Schnittstelle vom SAP zum Lagerverwaltungssystem abschließend festzulegen.“ Geht doch!
Keine Einladung also ohne exakte Zieldefinition!
Dieses Vorgehen setzt den Fokus auf genau ein eng umrissenes Thema. Es schützt vor Verzettelung, vor Beliebigkeit und vor „sonstigem“.
Und es liefert die Grundlage dafür, dass ich sehr exakt folgende Fragen beantworten kann:
- wen lade ich ein? Wenn eine Entscheidung getroffen werden soll: wer trifft diese? Wer muss fachlichen Input liefern? Wer muss Nebenbedingungen erklären? Wen muss ich informieren? Und müssen wirklich alle zu informieren im Meeting sein, oder reicht es, wenn ich nach dem Meeting einen Link zum Meeting-Protokoll an die zu Informierenden schicke?
- Brauche ich eine Agenda? Vergessen Sie diese Meeting-Regel „keine Einladung ohne Agenda“. Bei Einthemen-Meetings brauchen Sie keine Agenda, da reicht die exakte Zielbeschreibung. Erst bei mehreren Themen und Vortragenden brauchen Sie eine Agenda. Hüten Sie sich vor bürokratischem Overkill.
Wenn Sie dagegen mehrere Punkte und/oder mehrere Vortragende haben, dann brauchen Sie eine Agenda. Beschreiben sie hier jeden einzelnen Punkt wie bei der Zielbeschreibung geschildert. Jeder Punkt muss einen Namen als Verantwortliche tragen und eine Dauer. Die Dauer sollten sie vor dem Meeting mit dem Verantwortlichen abstimmen, um komische Überraschungen zu vermeiden.
Die Agenda sollten Sie als ein gesondertes Dokument ablegen, am besten in einem Kollaborations-Tool wie Confluence, Jira oder ggf. auch Evernote. Darauf komme ich später noch zurück. Den Link zu diesem Dokument fügen Sie Ihrer Einladung bei. An die gleiche Stelle legen Sie auch alle für das Meeting relevante Dokumente ab. So haben die Dokumente immer einen festen Platz. Auf jeden Fall sollten die Meeting-Dokumente nicht an der Einladung hängen, sonst speichert sich jeder die für sich ab und es entsteht ein Tohuwabohu von verschiedenen Versionen der gleichen Dokumente. - Wie lange brauche ich? Grundsätzlich gilt: Bitte kurz halten. Auch hier wirkt das Parkinsonsche Prinzip: Arbeit dehnt sich immer in dem Maß aus, wie Zeit dafür zur Verfügung steht. In der Dauer liegt ein Grundübel von Meetings: In den meisten Kalender-Tools ist eine Standard-Länge hinterlegt, meist 60 Minuten. Und 60 Minuten sind die schlecht mögliche Lösung.
Zuerst ein Wort zur Startzeit: Wenn es bei Ihnen im Unternehmen üblich ist, Meetings immer zur vollen Stunde zu starten, sollten Sie das auch tun, aber ein Meeting niemals bis zur nächsten vollen Stunde laufen lassen. Lassen Sie ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern immer Zeit, um von einem Meetingraum zum nächsten zu gelangen, zwischendurch mal einen Kaffee trinken zu können oder schlicht die Toilette aufsuchen zu können. Nahtlos aneinander gereihte Meetings sind die Pest! Beenden Sie ihr Meeting also immer 5 oder 10 Minuten vor der vollen Stunde.
Zur Dauer: setzen sie mal deutlich weniger Zeit an als sonst bei Ihnen üblich. Das setzt schon zu Beginn das Signal, dass sie nicht gewillt sind, Zeit zu verschwenden. Meetings dürfen auch mal nur 20 Minuten dauern. Und Online-Meetings auch mal nur 10 Minuten oder noch weniger.
Und sie befreien Meetings mit einem straffen Zeitplan von einem Grundübel: langatmige Meetings sind damit passe!
Wann sollte ich das Meeting durchführen? Brauche ich volle Konzentration (dann eher gegen 9 bis 10Uhr), oder reicht dafür ein anderer Zeitpunkt? - Welche Ausstattung benötige ich? Hiermit meine ich z.B. auch Sitzplätze. Nichts tötet die Aufmerksamkeit mehr als eine Kombination von lange Dauer, langweiligem Thema und bequemem Sitzplatz! Ich liebe es bei kürzeren Meetings so bis zu 30 Minuten auf Sitzplätze zu verzichten. Da man sich aber ja mal Notizen machen muss, sind Stehtische hier ein toller Kompromiss! Das Stehen fördert erfahrungsgemäß tatsächlich die Aktivität und die Aufmerksamkeit - sollten sie unbedingt versuchen!
Auf der anderen Seite habe ich auch schon sehr wirksame Meetings in einer Lounge-Ecke einer Kaffeebar durchgeführt. z.B. um mit max. 5 Leuten erste Design-Mockups einer Software auszuhecken.
Unterschätzen sie daher niemals die Wirkung von Atmosphäre. Schöne Umgebungen geben ihren Geist an die Anwesenden! Und häßliche Umgebungen bewirken einen Fluchtinstinkt. Das geht mir jedenfalls als ein hauptsächlich optisch wahrnehmenden Menschen so. Viele moderne Chefs haben das verstanden und lassen es zu, dass sich ihre Leute auch außerhalb des Unternehmens treffen dürfen.
Probieren Sie also unbedingt unterschiedliche Räumlichkeiten aus! - Wer kann mir eventuell helfen. Nicht jeder kann flüssig ein Meeting moderieren und gleichzeitig die richtigen Folien und Dokumente suchen oder das Protokoll schreiben - holen Sie sich in dem Fall Hilfe. Die Meetings-Moderation ist zu wichtig, als sie mit administrativem Beiwerk zu stören. Dazu im nächsten Prinzip mehr.
- Wenn Sie Kolleginnen oder Kollegen einladen, die auf dem ersten Blick nichts mit dem Meeting-Thema zu tun haben: Erklären sie unbedingt, warum sie wen eingeladen haben und was sie von ihnen erwarten. Je besser die Teilnehmenden wissen, was sie von ihnen erwarten, desto besser können sie sich später im Meeting einbringen.
Wenn Sie diese Punkte beachten, haben sie eine gute Grundlage für ein fokussiertes Meeting, bei dem jeder weiß was ihn erwartet und was man von ihm oder ihr erwartet. Die Gefahr einer Verzettelung ist schon mal minimiert.
Nun geht es darum, das Meeting zu führen - und damit kommen wir zu unserem nächsten Prinzip. Dazu im nächsten Beitrag mehr.
So, das war’s für heute.
Wenn Sie anders darüber denken oder Ergänzungen haben, freue ich ich auf Ihre kritischen aber freundlichen Kommentare.