Beim Thema „Home-Office“ durch Corona begegnen mir zwei Haltungen bei Führungskräften:
Die einen zucken gelangweilt mit den Schultern, weil sie bereits seit Jahren verteilt arbeiten, z.B. weil ihre Mitarbeiter an verschiedenen Orten oder gar in unterschiedlichen Zeitzonen arbeiten. Jetzt arbeiten halt noch mehr Mitarbeiter „verteilt“. An den schon vorher gelebten Prinzipien der Zusammenarbeit ändert das nichts. Es funktionierte vorher, es funktioniert jetzt auch.
Die anderen Chefs sitzen auf einmal zuhause, mit einem Laptop und Zugangsdaten zu MS Teams vor sich und verstehen die Welt nicht mehr. Woher sollen sie jetzt wissen, wer gerade an was arbeitet, was der Stand ist und überhaupt: arbeiten denn alle?
Trigema-Chef Wolfgang Grupp erklärt einfach „ich brauche alle Mitarbeiter in der Firma“. Und er redet nicht von seinen Näherinnen, sondern von seiner Verwaltung.
Die Frage sei erlaubt: Wofür braucht er seine Verwaltung im Büro?
Das Büro ist ein einfaches Tool zur Organisation von Menschen
Welche Funktion hat eigentlich so ein Büro? Es ist ja für einen Organisationsberater wie mich ein Werkzeug wie jedes andere auch. Und beim Büro fallen mir viele gute Anwendungsgebiete ein:
- gemeinsam kluge Ideen aushecken,
- gemeinsam einen komplexen Prozess an das fünf Meter breite Whiteboard malen,
- unter vier Augen Konflikte aus der Welt schaffen.
- usw.
Ein Büro hat für mich aber NICHT folgende Funktionen:
- Anwesenheitskontrolle,
- Aufgabenübergabe auf Zuruf,
- soziale Kontrolle („was hat der denn heute an?!?“, „der holt sich schon seinen dritten Kaffee!“, „die verbringt ihre Zeit auch nur in Meetings!“).
Warum nicht? Weil die o.g. Punkte einfach Zeichen ungeeigneter Führung sind - egal in welchem Kontext und mit welchem Werkzeug! Input-Orientierung, chaotische Aufgabenübergaben und die Einforderung sozialem Einheitsverhalten verbessern nicht die wichtigste Leistung des Mitarbeiters: seinen Output.
Leider spürt man in vielen Unternehmen noch das Denken „ich bezahle die Mitarbeiter für 8 Stunden und ich bestimme über diese 8 Stunden“. Das ist rein arbeitsrechtlich bestimmt ok, aber effizient ist das nicht. Wenn Sie ein effizientes Unternehmen haben wolle, sollten Sie diese Haltung überdenken.
Kommen wir zurück auf die „guten Funktionen“ des Büros. Viele davon funktionieren nämlich auch ohne Büro. Aber selten so gut. Wir Menschen sind soziale Wesen und Meetings in z.B. MS TEAMS sind extrem nützlich, beschneiden aber die Tiefe von Kommunikation.
Und so ein Büro hat natürlich auch klare Nachteile. Störungen behindern konzentriertes Arbeiten, Arbeitswege fressen Lebenszeit und Nerven. Und - zu Corona-Zeiten: So ein Virus freut sich über die Begegnungen zwischen Menschen!
Jedes Tool braucht eine Abwägung von Vor- und Nachteilen
Es bleibt also - wie bei allen Werkzeugen - eine Abwägung von Vor- und Nachteilen und deren Gewichtung. Sich einfach hinzustellen und zu sagen „geht nicht“ ist faktisch falsch. Zu Corona-Zeiten zeigt sich, wem seine Leute wirklich am Herzen liegen: Die Gewichtung des Ansteckungsrisikos in dieser Abwägung spricht Bände. Einfach mal etwas Neues auszuprobieren kann Horizonte öffnen!
Wolfgang Grupp begründet seine Ablehnung von Home-Office übrigens damit, dass man im Büro schneller entscheiden könne. Das habe ich die letzten Monate im Home-Office genau anders kennen gelernt: Ich war durch MS TEAMS und ZOOM noch nie in meinem Leben in der Lage, so schnell Abstimmungen mit verschiedensten Mitarbeitern durchzuführen.
Alles also eine Frage der Sichtweise. Oder wie meine Oma sagte: Wer will, findet Wege. Wer nicht will, Gründe.
Der Wille Neues zu lernen ist hilfreich
Aber es kommt wieder eine Zeit nach Corona (was für ein wunderbarer Satz!).
Ich hoffe, dass wir mit einem erweiterten Horizont und entspannterem Umgang mit dem Werkzeug „Büro“ diese Krise hinter uns lassen! Es wäre jammerschade, wenn wir nichts daraus gelernt hätten!