Wir müssen Führung menschlicher gestalten!

07. Jul 21

Führung arbeitet immer noch mit unpassenden Methoden. Methoden, die ihren Ursprung in der Zeit der Industrialisierung haben und für Maschinen und maschinenähnliche Arbeiten von Menschen gemacht wurden. Und dass wir heute unbedingt das stärken müssen, was wir heute unbedingt brauchen: den Menschen. 

Warum aber fällt uns das oft so schwer?

Ich denke die Lösung liegt darin, dass wir oft nicht Führung gelernt haben, sondern Management.
Was meine ich damit? Ich unterscheide gerne zwischen diesen beiden Begriffen in der folgenden Definition:

Management:
Im Management geht es um Dinge wie Prozesse und Maschinen.Dinge, die man mit relativ einfachen, mechanistischen Werkzeugen steuern kann und die einen eindeutigen Wirkungszusammenhang haben: Stromschalter an - Maschine läuft! 

Führung:
Bei Führung dagegen geht es um den Menschen - und der unterscheidet sich nun mal von Maschinen. Menschen sind kompliziert, manchmal sogar komplex. Sie sind alle unterschiedlich. Sie haben auch meist keine Bedienungsanleitung dabei - fast schon ein Grund für eine Reklamation... Sie sind mal zickig, krank oder gekränkt. Menschen brauchen Zuneigung und ein Mindestmaß an ehrlicher Freundlichkeit. Und Raum, ihre Fähigkeiten auszuleben. Menschliche Führung basiert auf Beziehungen, die wiederum Vertrauen voraussetzen. Es geht bei Führung also um Emotionen - etwas, was es im Management per Definition nicht gibt.

Aber Menschen können halt Dinge, die Maschinen nicht können: mit Komplexität umgehen, kreative Lösungen suchen, innovativ sein und sehr zielführend mit anderen zusammenarbeiten. Und das sind die Dinge, die wir für unsere Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft unbedingt brauchen. 

Viele unserer Führungsmethoden sind eigentlich Managementmethoden, denn sie entstammen dem  mechanistischen Weltbild der Industrialisierung, das ja eigentlich für Maschinen erdacht wurde. Man könnte einwenden: In der Industrialisierung hat's aber dennoch funktioniert, warum heute nicht mehr? Naja: Weil Menschen dort wie Maschinen eingesetzt wurden, wie z.B. am Fließband. Auch in den Verwaltungen der Industrialisierung fand das mechanistische Weltbild platz. Hier waren die Menschen auch nur „Schreibmaschinen“. Menschliche Eigenschaften waren hier absolut unerwünscht. Das habe ich im letzten Video herausgearbeitet.

Heute brauchen wir aber in immer mehr Branchen eines am meisten: Menschen als Menschen, nicht als Maschine. Weil Menschen unglaublich gut darin sind, komplexe Systeme zu durchdringen, kreativ zu sein, zusammen tolle Ideen entwickeln. Und auch zusammen mit Kunden und Lieferanten immer wieder gute Lösungen zu finden in Reaktion auf sich verändernde Anforderungen.

Wie also geht „menschliche“ Führung?

Meiner Meinung nach brauchen wir dazu hauptsächlich diese Dinge:


1. eine angstfreie Umgebung

Zunächst einmal müssen wir die Voraussetzung dafür schaffen, dass Menschen bei uns als Menschen arbeiten können. Diese Fähigkeit braucht im Wesentlichen eines: eine angstfreie Umgebung. Also eine Umgebung, in der Ideen vorgebracht werden können, ohne dass man gleich einen Kopf kürzer gemacht oder die Idee ins Lächerliche gezogen wird. Eine angsterfüllte Umgebung ist DER Killer für die Entwicklung unserer Unternehmen.

Woran erkennen Sie als Chef, dass sie keine angstfreie Umgebung geschaffen haben?

Z.B. daran, dass der Austausch in einem Meeting abrupt stoppt, wenn Sie den Raum betreten. Oder Sie in Meetings den höchsten Redeanteil haben. Oder dass sich keiner meldet wenn Sie fragen „irgendjemand noch eine bessere Idee?“. Dafür gibts nur zwei mögliche Ursachen: entweder Ihre Leute haben keine Lust darauf, dass ihre Ideen mal wieder in der Luft zerrissen werden und sind dann einfach still. Oder aber ihre Leute haben tatsächlich keine Ideen. Aber dann hätten sie die falschen eingestellt. Aber ich kann sie beruhigen: es liegt meist nicht an den falschen Mitarbeitern. Erst wenn Sie bei dieser Frage mit Ideen überschwemmt werden und auch der Azubi noch etwas sagen möchte, sind sie auf einem guten Weg. Dann haben sie das wichtigste schon mal geschafft: Ihre Mitarbeiter dürfen mitdenken und tun das auch und haben Freude daran. Und glauben Sie mir: Die Arbeit in einem angstfreien Raum ist so effektiv und macht unheimlich Spaß. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bringen sich ein, sie blühen auf, sie übernehmen Verantwortung, sie steuern sich weitestgehend selbst. Allein dafür lohnt es sich schon, angstfreie Umgebungen zu schaffen!

Wichtig ist natürlich auch, die Anregungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umzusetzen. Denn wer immer neue Ideen einbringt, diese aber dann nicht umgesetzt werden, fühlt sich schlicht weg verarscht. Und ist dann irgendwann leise. Die Frage nach neuen Ideen sollte also immer auch ernst gemeint sein. Diese Frage - und deren Umsetzung - entspringt ja auch einem natürlichen Aggregatzustand von Unternehmen: dem Wunsch nach qualitativem Wachstum. Dem Wunsch, in jedem Aspekt immer besser werden zu wollen. Leider ist dieser Wunsch in vielen Unternehmen nicht mehr vorhanden. Oder verschüttet unter einer dicken Schicht von Veränderungsresistenz und Bürokratie. Wenn dieser Wunsch in ihrem Unternehmen nicht mehr vorhanden ist, sollten sie ihn dringen wieder ausgraben!


2. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen machen lassen

Was brauchen wir noch für eine menschlichere Führung ? Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten lassen. Ich höre schon viele sagen: Tun sie ja, sich machen ja bereits genau das, was ich ihnen sage.  Ja, nicht ganz das was ich meine.

Führung hat nach wie vor die Aufgabe, Leitplanken für alle Aktivitäten im Unternehmen zu errichten. Passiert das nicht, diffundieren natürlich alle Aktivitäten in alle möglichen Richtungen und die ganze Kraft verpufft.  Aber innerhalb dieser Leitplanken sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst frei arbeiten können - das „Wie“ ihrer Arbeit also selbst bestimmen.

Schließlich haben sie doch fähige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, oder? Die wissen doch was zu tun ist. Und gerade in Wissensunternehmen ist es lächerlich, wenn ein Chef einen Mitarbeiter „eng führt“, obwohl der Mitarbeiter in seinem Job wesentlich besser ist als der Chef. Macht keinen Sinn, oder? Schon Steve Jobs hat sich darüber gewundert:

Steve Jobs

„Es hat keinen Sinn, smarte Menschen einzustellen, um ihnen zu sagen, was sie machen sollen. Wir stellen smarte Menschen ein, damit sie uns sagen, was wir machen sollen.“ 

Wenn Sie anfangen, die Art der Arbeitsausführung vorzuschreiben, werden sie ihr Ziel, „mitarbeitende Mitarbeiter“ zu haben, nicht erreichen. 


3. Arbeitsumfeld

Ein angenehmes Arbeitsumfeld und eine positive Unternehmenskultur wären weitere Bausteine menschlicher Führung. 

Auch das ist wieder ein Unterschied zwischen Mensch und Maschine: Maschinen ist es relativ egal, wo sie aufgebaut werden. Und ob sie mit angenehmen Maschinen zusammen stehen. Der Mensch ist mal wieder komplizierter. Der braucht tatsächlich ein angenehmes Arbeitsumfeld. Aber bitte bleiben Sie dabei ehrlich und übertreiben Sie es nicht:

Wir sollten immer eines nicht vergessen: Jeder von uns kennt Orte, an denen er lieber ist als auf der Arbeit. Arbeit ist und bleibt eine Zwangsveranstaltung, bei der wir Sachen tun, die wir normal nicht tun würden mit Menschen, mit denen wir normalerweise keine Zeit verbringen würden für einen Chef, den wir unter Umständen nicht mögen. Dieses Verhältnis gleichen weder Kickertisch noch Bällebad aus.

Führung darf die Mitarbeiter nicht mit vordergründigem Sinngefasel oder hohlen Unternehmensleitbildern auf die Nerven gehen. Es reicht, einfach einen interessanten Job in angenehmer Umgebung mit angemessenen Umgangsformen zu bieten und die Leute arbeiten zu lassen. Halten sie ihre Leute nicht für blöd. Als Privatleute können ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Hausbau organisieren, die Pflege der Mutter, sind vielleicht Schriftführer eines Vereins oder Organisator von Gottesdiensten in einer Kirche. Sie wollen, wenn sie bei Ihnen arbeiten, weder ihren Verstand beim Pförtner abgeben noch wie Dummköpfe behandelt werden. Kann man machen, aber dann bekommt man halt Leute, die nur noch tun was man ihnen sagt. Und damit gewinnt ihr Unternehmen in Zukunft nicht mal mehr den sprichwörtlichen Blumentopf.


Führung im Ehrenamt

Wo man übrigens Führung richtig lernen kann: im Ehrenamt. Ich hab schon mal hier drüber geschrieben. Dort habe ich schon gestandene Unternehmer verzweifelt gesehen! „Ich muss das hier nicht machen…“ ist so eine klassische Antwort von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn man ihnen blöd kommt. Ich wünsche mir so eine Haltung auch in unseren Unternehmen! Es ist nicht sinnvoll, Menschen mit Geld in unangemessene Verhältnisse zu zwingen. Ich wünsche mir, dass Menschen in Unternehmen freiwillig arbeiten. Nicht aus Zwang, sondern weil sie es gerne tun. 


4. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbinden

Das geht mit Fragen am Besten. Wenn ihre Mitarbeiter es gewohnt sind, bei jedem kleinsten Problem zu ihnen zu kommen um eine Lösung zu erfragen, dann fragen sie doch mal zurück: wie würden sie es denn machen? Fordern sie ihre Mitarbeiter auf, auch zusammen im Team erst nach Lösungen zu suchen, und dann mit einem konkreten Lösungsvorschlag zu ihnen zu kommen. Und den akzeptieren sie dann bitte auch! 

Ich weiß, wie schwer das fällt, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter andere Wege nutzen als wir es tun würden. Oder andere Ausdrucksformen. Ich stoße hier auch immer wieder an meine Grenzen. Aber das muss man aushalten - gerade bei jungen Leuten. Der Vorteil von uns Älteren ist, dass wir schon mal jung waren. Leider vergessen das die meisten von uns. Ich denke oft daran zurück wie ich Herausforderungen in dem Alter begegnet bin und grinse: Das war nicht besser. Also: Aushalten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wertschätzung dafür geben, dass sie sich trauen, schwierige Themen anzugehen. Und jede Unterstützung geben, die sie benötigen!  Und wenn ich als Externer dann im Meeting sitze und auch Vertreter der Geschäftsführung kein einziges Wort über die vielleicht ungewohnte Form verlieren und den jungen Leuten zuhören, dann freue ich mich über diese wertschätzende Unternehmenskultur, in der junge Menschen wachsen können!

Wichtig für Führung also auch : Und lassen Sie ihre Leute damit bitte nicht komplett allein. Eine wichtige Führungsaufgabe ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Wachsen zu bringen. Das geht nicht im Kasernenton, sondern eher als Gärtner mit Gießkanne. 

Wenn sie das umsetzen, ist schon viel bei Ihnen passiert!

Wenn Sie das umsetzen, haben Sie eine „Bande“ großartiger Leute, die es lieben, für Sie zu arbeiten. Das setzt Energien frei, die vorher nicht im entferntesten da war. Warum das Energie freisetzt? Weil Menschen als Menschen eingesetzt werden, nicht als Maschinen. Menschen, die die Arbeit von Maschinen machen, werden immer schlechter sein als Maschinen. Menschen werden dann unschlagbar gut, wenn man sie als Menschen arbeiten läßt.


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Frank Feldhaus

Über den Autor

Berater für Führung und Organisation.

Ärgert sich über alles was nicht funktioniert. Weiß aber, dass Perfektion schrecklich langweilig ist und dass wir Probleme brauchen, um daran zu wachsen. Ein ewiger Widerspruch...


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