Da schaltet man die gleiche Stellenanzeige wie seit 30 Jahren und dann bewirbt sich – keiner!Und wenn sich mal einer meldet, dann tritt der schon recht selbstbewusst auf. Sagt ehrlich, dass die Büros ja auch mal eine Renovierung vertragen könnten. Und fragt, ob es in der Kantine auch veganes Essen gibt. Und möchte morgens erst „so um 9“ anfangen, weil er sein Kind erst in den Kindergarten bringen möchte. Sitzt dann der Personaler schon hyperventilierend da, wird auch noch gefragt, ob man den Weiterbildungsplan einsehen könne… Das geht doch nicht, oder?
Mal ganz ehrlich: Ich finde es gut!!
Warum?
1. Weil es bei mir früher anders war – und ich es gehaßt habe!
Ich (Baujahr 1961) gehöre zu den geburtenstarken Jahrgängen. Wir waren viele. Immer und überall. Im Kindergarten und Schule hatten wir Gruppengrößen von >30. Da war keine Zeit für individuelle Förderung. Alle Abweichungen von der Norm wurden abgeschliffen. Bewarb man sich nach Schule / Uni bei einem Unternehmen, war man einer unter ganz vielen. Auch die Guten waren viele. So konnten sich Unternehmen aus einer großen Menge an Bewerbern bedienen. Es gab für die Unternehmen schlicht keinen Grund, Arbeitsverhältnisse menschlich und Inhalte sinnvoll zu gestalten. Warum auch? Wenn der eine nicht wollte, standen hinter ihm von viele, die den Job gerne hätten und da nicht so zimperlich waren.Das ist die ganz einfache Ursache vieler Missstände, von schlechter Führung über ungemütliche Büros bis grauenhafter Kantine. Klar wußte man, dass man das besser machen kann und dass zufriedene Mitarbeiter schon einen Einfluss haben auf die Arbeitsleistung und die Loyalität – aber so richtig Mühe geben musste man sich nie.In diesem System gab es für Karrierewillige genau zwei Überlebensstrategien: Anpassung oder Jobwechsel. Und da der Jobwechsel ziemlich aufwändig war (aufgrund der Menge an Mitbewerbern) waren in vielen Unternehmen die Angepassten in der Mehrzahl. Angepasste sind zwar einfach zu führen, bringen aber Unternehmen nicht weiter. Dazu gleich mehr.
2. Weil wir solche anspruchsvollen, unangepassten Mitarbeiter brauchen!
Mit solchen Leuten kann man doch kein Unternehmen führen, oder?
Doch! Gerade mit ihnen. Warum?
- Sie haben keine Alternative. Sie bekommen keine anderen.
OK, das ist böse, aber Realität. - Der beherrschende Bestimmung der Unternehmen auf das Privatleben geht auf ein normales Maß zurück. Auch Führungskräfte müssen mit einem 8-Stunden-Tag auskommen können, wenn sie denn wollen. Um z.B. noch nebenbei eine Familie sinnvoll betreiben zu können. Unser typisch deutscher Beurteilungsmaßstab für das Engagement von Führungskräften (Anwesenheit in Stunden) kann beispielsweise zurückgeführt werden auf das, was er wirklich ist: völliger Blödsinn! Wir können uns auf das konzentrieren, was wirklich wichtig ist: ein effizienter und effektiver Arbeitsstil, der am Output gemessen wird und nicht am Input.
- Wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel in unseren Unternehmen! Wie oben beschrieben, hat meine geburtenstarke Generation vor allem eines gebracht: Anpassung.Die Angepassten können nur den Status Quo sicher stellen, aber keinen echten Fortschritt bewirken. In Zeiten, in denen es nicht mehr ausreicht, den Status Quo einer Organisation zu optimieren, sondern kreativ und mutig auf neue Herausforderungen zu reagieren, brauchen wir unangepasste Führungskräfte. Das ist anstrengend, aber notwendig! Heute müssen die Karriere machen können, die die richtigen Ideen haben!Ich behaupte sogar: Ohne angepasste Führungskräfte hätte es den Dieselskandal nicht gegeben. Schreiben Sie mal einen Kommentar, was Sie dazu denken!
Also: Keine Angst vor der „anspruchsvollen jungen Generation“. Sie will durchaus mehr als nur spielen. Sich auf mutige, unangepasste Mitarbeiter einzulassen, ist eine Notwendigkeit unserer Zeit!
George Bernard Shaw
Die vernünftigen Menschen passen sich der Welt an; die unvernünftigen versuchen, sie zu verändern. Deshalb hängt aller Fortschritt von den Unvernünftigen ab.
George Bernard Shaw
Wir brauchen Narren! Seht, wohin uns die Vernünftigen gebracht haben