Artikelserie Selbstmanagement: Über die Kunst, eigene Inhalte zu finden

03. Nov 17

Mit Selbstmanagement wollen wir zwei Dinge steuern: Inhalt und Richtung unseres Lebens.
1. Inhalt: Ich verfolge im Leben Dinge, die zu mir passen.
2. Richtung: Ich verfolge Ziele, die ich definiert habe.
Das Warum dahinter ist Sinn durch Selbstverwirklichung. Wir können nur Glück und vor allem Sinn im Leben finden, wenn Inhalt und Richtung größtenteils von uns bestimmt wurde.

In diesem Artikel geht es um den Inhalt: Wie schaffe ich es, mein Leben mit den Dingen zu füllen, die mir entsprechen? Oder wie vermeide ich es, mein Leben mit den Inhalten anderer zu füllen?

Startpunkt jedes Selbstmanagements ist die Selbsterkenntnis. Ohne uns zu kennen, können wir uns auch nicht selbst steuern.

Selbstkenntnis kann ja eigentlich kein Problem sein – wir leben ja schon etwas länger mit uns, das sollten wir uns kennen. In der Praxis wissen die meisten Menschen erschreckend wenig über sich. Wenige Menschen können in knappen Sätzen ihre Persönlichkeit beschreiben. „Nennen Sie uns mal ihre drei größten Stärken und Schwächen!“ ist ja die Standardfrage in Jobinterviews, die viele regelmäßig zum Stottern bringt. Warum aber leben wir solange mit uns, und kennen uns oft so wenig?

 

Basis: Selbstkenntnis

„Erkenne dich selbst“ – das hat schon das Orakel von Delphi im 5. Jahrhundert vor Christi gefordert.

Wenn kleine Kinder ihre Persönlichkeit entdecken, finden sie relativ schnell raus, was sie können und was nicht. Ob sie sich gerne bewegen, fremde Umgebungen erkunden, gerne malen oder gerne Musik machen.
Dieses Wissen konfrontiert schnell mit Anforderungen anderer. Die Eltern meinen, dass das Kind auf jeden Fall Klavier lernen sollte, auch wenn es dazu keine Lust hat. In der Schule muss Chemie gelernt werden, auch wenn das quälend langweilig ist.
Und dann gibt es noch soziale Zwänge: Als Junge sollte man gut Fußball spielen können, um „cool“ zu sein. Bücherwürmer sind „uncool“.

Später kommen dann noch Anforderungen hinzu, die in einem Job als gesetzt gelten, die man einfach haben muss. „Teamfähigkeit“ ist so ein Beispiel. Kaum ein Unternehmen versteht, dass ein Team immer zu Durchschnittlichkeit tendiert. Trotzdem ist „Teamfähigkeit“ die am meisten geforderte Fähigkeit in Stellenanzeigen. Wollen wir einen Job haben, müssen wir also „teamfähig“ sein. Also tun wir so als ob. Wir beginnen Masken zu tragen. Und nach einer gewissen Zeit fällt es uns schwer, die Maske von uns selbst zu unterscheiden.

Würde man uns als Kind in unsere jetzige Lebenssituation beamen, würde dieses Kind wahrscheinlich zu vielen Dingen sagen „dazu habe ich keine Lust, ich würde lieber etwas anderes machen“. Schön fand ich diesen Artikel über einen Bombenhund, der aber keine Lust hatte, Bomben zu suchen. Der Hund hat zumindest verstanden, was er nicht will. Für uns ist das nur der halbe Weg – wir sollten auch wissen, was wir statt dessen wollen.

Denn nur wenn wir uns verstanden haben mit unsere Charakter, unseren Neigungen und Werten, können wir das Leben leben, das zu uns passt. Und das ist für mich die Definition eines „erfolgreichen“ Lebens.

Wie also können wir uns erkennen?

 

Persönlichkeitstests

Sie könnten zu Persönlichkeitstests greifen. Der Markt ist voll davon. Der Sinn von Persönlichkeitstests ist es, die unendliche Komplexität menschlicher Persönlichkeitsstrukturen extrem zu vereinfachen und in möglichst wenig Schubladen zu stecken.
Damit halte ich Persönlichkeitstests in Unternehmen für durchaus legitim, wenn man z.B. einen bestimmten Typus für ein bestimmtes Team sucht. Nicht aber für unsere Selbstkenntnis. Sie wollen sich ja kennenlernen und dabei hilft es wenig, das Label der Schublade zu kennen, in die sie jemand steckt.

Persönlichkeitstests kann man mal machen. Aber nehmen sie diese Tests nicht zu ernst. Die meisten entbehren eh einer wissenschaftlichen Grundlage und bewegen sich daher oft auf dem Niveau von Kaffeesatzleserei. Hier dazu zwei interessante Artikel: Von Svenja Hövert und von Christoph Burger.

Ich habe mal spaßeshalber über ein halbes Jahr monatlich einen MBTI-Test durchgeführt. Ich hatte immer unterschiedliche Ergebnisse. Meine besten Ausprägungen: Mal war ich ein Logiker (INTP), mal ein Abenteurer (ISFP). Das ist schon ziemlich unterschiedlich…

Man kann aber auch viel Spaß damit haben wie bei Tobias Beck!

Wenn Sie es mal versuchen wollen – hier einige hilfreiche Links:

  1. Myers-Briggs Type Indicator (MBTI)
  2. Reiss Profil
  3. Motivationspotentialanalyse
  4. Big Five
  5. DISG
  6. Gallup Strengths Finder

 

Die Meinung anderer

Wir könnten ja mal Menschen fragen, die uns nahe stehen. Andere Menschen haben immer eine andere Perspektive auf uns als wir selbst – und es ist gut für uns, diese zu kennen.

Das Urteil anderer, uns vertrauter Menschen halte ich für zielführender als psychologische Tests. Wir müssen dabei aber drei Dinge beachten:
1. Die anderen Menschen sehen uns fast immer nur in einem bestimmten Kontext:
Fragen wir private Freunde, wissen die oft nicht, wie wir im beruflichen Kontext sind. Und Kollegen kennen oft nicht unsere private Seite. Und ich kenne viele Menschen, die privat und beruflich in total unterschiedlichen Galaxien leben!
2. Sie ändern sich. Fragen Sie daher nie Menschen, mit denen sie schon lange keinen intensiven Kontakt haben.
2. Die anderen Menschen sehen unsere Masken und nicht unbedingt den Menschen dahinter.

 

Unsere eigene Meinung

Und dann könnten wir ja auch noch den fragen, der mit dem wir die meiste Zeit verbringen: uns selbst.

Wir können (und sollten) absolut ehrlich zu uns selbst sein. Und wir können (und sollten) uns Zeit lassen, uns selbst kennen zu lernen.

Wir sollten uns besonders über drei Punkte Klarheit verschaffen:
1. Unsere Fähigkeiten. Was können wir besonders gut? Und was gar nicht?
2. Unsere Neigungen. Wenn sie Langeweile haben: Mit was beschäftigen sie sich? Welche Filme schauen sie? Über welche Themen lesen sie? Über was reden sie? Wobei vergessen sie die Zeit? Was gibt ihnen Energie, was raubt ihnen Energie?
3. Unsere Werte. Was ist ihnen wichtig? Was treibt sie an?

Führen sie doch in den nächsten Wochen ein Tagebuch, in das sie ihre Beobachtungen kurz notieren. Wenn sie das ein paar Wochen machen, wissen sie mehr über sich als durch jeden Persönlichkeitstest!

Es geht dabei nicht darum, sich selbst in Schubladen zu stecken (so wie bei den Persönlichkeitstests). Ergebnis sollte eine gute Selbstkenntnis sein, mit der sie Alltagsprobleme lösen können.

Ich habe z.B. letzten Monat eine Einladung zu einem großen Kongress bekommen. Ich weiß, dass mir solche Veranstaltungen sehr viel Energie kosten. Daher brauche ich ein ruhiges Hotel und hinterher eine etwas weniger anstrengende Zeit. Beides konnte ich nicht bekommen. Daher werde ich nicht auf den Kongress gehen. Klare Sache – ich kenne mich!
Eine Bekannte von mir sollte zur Hauptabteilungsleiterin befördert werden. Ein Zeichen echter Wertschätzung ihres Arbeitgebers. Sie hat das Angebot aber ohne lange zu überlegen abgelehnt. Sie ist halt von ganzem Herzen eine tolle Fachkraft und will das auf keinen Fall aufgeben. Sie kennt sich und damit war die Entscheidung eine klare Sache.

Darum gehts. Im Alltag die Optionen wählen, die zu einem passen. Dafür muss man sich kennen.

 

Das Ergebnis

Aus den Puzzleteilen der verschiedenen Informationsquellen können wir schon ein ziemlich gutes Bild von uns zeichnen:
Die Persönlichkeitstests liefern Ausprägungen für bestimmte Kategorien (introvertiert / extrovertiert, mehr an Menschen interessiert oder an Fachfragen). Die Meinung anderer zeigt, wie wir in bestimmten Kontexten wahrgenommen werden.
Unsere Meinung zeigt unsere Fähigkeiten, Neigungen und Werte.

Selbstkenntnis ist immer ein Ergebnis eines längeren – oft lebenslangen – Beobachtungsprozesses. Also haben sie Geduld mit sich. Aber hören sie nie auf, sich zu beobachten und zu hinterfragen. Und fangen sie an, spontan Entscheidungen aufgrund ihrer Selbstkenntnis zu treffen. Selbstkenntnis macht vieles im Leben klar.

Aber: Bewahren sie sich immer die Fähigkeit, Neues auszuprobieren. Charakter kann sich ändern.

Im nächsten Artikel gehts um unsere Ziele, mit denen wir sicherstellen wollen, dass sich unser Leben in die von uns gewünschte Richtung bewegt.


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Frank Feldhaus

Über den Autor

Berater für Führung und Organisation.

Ärgert sich über alles was nicht funktioniert. Weiß aber, dass Perfektion schrecklich langweilig ist und dass wir Probleme brauchen, um daran zu wachsen. Ein ewiger Widerspruch...


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