Ist schon komisch, um was sich vielbeschäftigte und erfolgreiche Vorstandsvorsitzende in Deutschland so kümmern.
Dieter Zetsche präsentiert Daimler auf der IFA2016 ohne Krawatte, dafür in Jeans und Sneakers. Wenigstens das Sakko war noch da. Wohlgemerkt: Daimler – das sind die, die Mercedes-Autos herstellen. Also die mit den eingebauten Hosenträgern und den ältesten Neuwagenkäufern. Hat aber gut ausgesehen, er kann sowas absolut tragen!
Der Chef der Otto-Group Hans-Otto Schrader hat seinen Mitarbeitern das Du-Wort verordnet. “Flache Hierarchien und der Weg zum Wir ginge nur über das Du“ sagte er in einem Interview mit der WiWo. Nur Herrn Otto, also seinen Chef, möchte er nicht wirklich duzen („Eine gewisse Distanz ist da für alle Seiten durchaus hilfreich.“).
Lidl-Chef Klaus Gehring verordnete seinen Mitarbeitern ebenfalls das Du-Wort. Hier allerdings mit einem deutlich drohenden Unterton: „Es gibt keinen Zwang. Aber klar ist: Wer sich nicht duzt, isoliert sich. Das sind nicht die Leute, die wir brauchen.“ Na klar, Lidl. Nur zur Erinnerung: Das sind die, die ihre Mitarbeiter mit Video-Kameras in Umkleideräume und Toiletten bespitzelt haben. Dafür haben sie 2004 den Big-Brother-Award bekommen.
Da schlägt man als Lidl-Mitarbeiter bei der Duz-Anordnung schon mal vorsorglich die Hacken zusammen.
Tja, es wollen halt alle cool sein. Es gelingt halt nur nicht allen. Weil zum cool-sein auch ein gewisses Maß an – ja: Coolheit und Lässigkeit gehört.
Auf der einen Seite ist es notwendig, dass sich die Chefs um den fälligen Kulturwandel in ihren Unternehmen kümmern. Das gehört zu ihren Aufgaben. Die Welt verändert sich und die besten Uniabsolventen gehen heute eben lieber zu Facebook, Google oder Microsoft. Weil die cool sind, oder?
Auf der anderen Seite wird ein wirklicher Kulturwandel nicht verordnet, sondern vorgelebt. Von coolen Chefs wie Mark Zuckerberg, Larry Page oder Satya Nadella.
Eine Duz-Anordnung mit offener Drohung wie von Klaus Gehring wirkt da doch – uncool!
Kulturwandel geschieht durch glaubwürdiges Vorleben. Ist halt so wie in der Kindererziehung („ich kann reden was ich will, meine Kinder machen mir doch alles nach!“). Ohne Glaubwürdigkeit wird eine angekündigte Veränderung zur Verhöhnung. Wer nicht nach Gleichwertigkeit zwischen Chefs und Mitarbeitern strebt, sollte dies auch nicht durch Wortwahl und Kleidung so aussehen lassen.
Also, ganz im Sinne der neuen Unternehmenskultur: Seid ehrlich – man spürt, wenn ihr das nicht seid.